Diese Woche haben wir uns mit einigen Stiefmamas bzw. Bonusmamas zum Stiefmutterstammtisch getroffen (falls Du auch dabei sein willst, melde Dich gerne bei mir – das nächste Treffen ist in Bergisch-Gladbach am 21.10.2021).
Jedenfalls saßen wir da und Karolina warf die provokante Frage in den Raum: „Wie machen es wohl andere Stiefmamas, die nicht hier sitzen, dass die sich nicht bei Diskussionen mit dem Kind zurückhalten, sondern das sagen, was sie meinen? Ohne Konsequenzen zu befürchten? Was hält Euch davon ab, Eure Meinung zu sagen?“
Vorangegangen war eine Diskussion zu dem Thema, wie viel man sich einmischt und wann man einfach den Mund hält. Die Meinungen dazu waren auch sehr unterschiedlich: Jessica, die jahrelang Vollzeit-Bonusmama eines 15-Jährigen gewesen war und dabei das „Zepter in der Hand“ gehalten hatte, vertrat die Auffassung, dass man immer das sagen sollte, was man meint. Insbesondere dann, wenn es um das Wohl des Kindes ginge und auch dann, wenn das Kind das noch nicht erkennen würde. So handhabt sie das jetzt auch mit ihrem neuen Bonuskind (mit neuem Kindsvater), das gerade die Trotzphase der 3-Jährigen durchlebt.
Katrin sah das anders. Schließlich hatte sie ihre 14-jährige Bonustochter wegen eines Fehlers vor kurzem so „angekackt“, wie sie auch ihre eigenen Töchter ansprechen würde – mit der Konsequenz, dass die Bonustochter jetzt den Besuch des Papas mied wie der Teufel das Weihwasser. Eine Auflösung des Themas nicht in Sicht. Dafür haben jetzt die Schwiegereltern eine feste Meinung zu dem Thema; nämlich, dass sie nicht immer so streng sein sollte.
Ich beantwortete Karolinas Frage einmal für mich: Der Grund, warum ich vielfach nicht sage, was ich meine, was richtig wäre, ist bei mir definitiv die Angst vor Ablehnung. Nicht die Ablehnung durch Marc, sondern die Angst vor Ablehnung durch das Kind.
Dabei geht es mir nicht darum, dass ich als coole Bonusmama dastehen will, sondern in meiner Befürchtung ist es so, dass die Kinder mich zu so einem Grade „doof“ finden, dass sie ihren Papa nicht mehr besuchen wollen. In meinem Worst-Case-Szenario im Kopf kommt es dann zu der alles entscheidenden Frage, die der Kindsvater beantworten muss: „Partnerin oder Kind?“
Vielleicht bin ich hier, was diesen Gedankengang angeht, auch etwas familiär vorgeprägt. Denn in meiner Familie war es so, dass mein Papa eine Tochter aus erster Ehe hatte, die auch gerne Zeit mit meiner Mama verbrachte. Nur wenn sie meine Mama in der Stadt traf, ignorierte sie sie. Meine Mama verlangte eine klare Positionierung von meinem Papa, was dieser auch brav tat. In der Folge kam dann meine Halbschwester nicht mehr zu Besuch.
(Bevor hier nun die großen Aufschreie kommen: meine Halbschwester war zu diesem Zeitpunkt 16 und das Ignorieren war natürlich nicht der einzige Punkt).
Es ist natürlich fragwürdig, ob man aufgrund möglicher Worst-Case-Szenarien im Kopf (,die ja in der Regel eh nicht eintreffen) sein Verhalten derart einschränkt, das es nicht mehr viel mit Authentizität und mit dem wahren Ich zu tun hat.
Ich habe mein Verhalten inzwischen in verschiedene Kategorien eingestuft:
1. Momente, in denen ich zwingend was sagen muss!
2. Momente, für die ich mangels Erziehungsberechtigung nicht verantwortlich bin
3. Momente, die ich einfach weg-ignoriere
Was verbirgt sich hinter den einzelnen Kategorien?
Die erste Kategorie kommt relativ selten vor, betrifft aber die Momente, in denen ich denke, dass ganz grob (in meiner Bewertung) etwas „schiefläuft“. Ein gutes Beispiel für einen solchen Moment gab es vor ca. einem Jahr: Annika hatte uns von einer - nennen wir es mal – illegalen Tat stolz erzählt. Ihrer Mutter hatte sie es nicht gebeichtet.
Annika reiste also eine Woche später bei uns an und ich erwartete von Marc ein auf den „Tisch hauen“. Es kam allerdings ein kurzer Monolog, der damit schloss, dass „das nicht gut sei.“
Ich traute meinen Augen und Ohren nicht und wartete einige Sekunden ab, um festzustellen, ob das Thema wirklich beendet war. Das Thema wurde gewechselt und ich konnte in dem Moment nicht an mich halten: ich polterte los mit allem, was ich zu dem Thema schon mal sagen wollte. Alle Konsequenzen und Folgen jeglicher Art wurden von mir skizziert und deren Auswirkungen auf Annikas Zukunft haargenau dargelegt.
Am Ende meines Vortrags saß Annika zerknirscht da und die Stimmung war im Keller.
Natürlich habe ich keinen „Beleg“ dafür, dass mein Verhalten richtig war oder ob es „besser“ war, als das, was Marc gesagt hatte; auch habe ich keinen Nachweis, dass es irgendetwas anderes in Annika bewirkt hat, als das was Marc gesagt hat.
Auf jeden Fall sind das die Momente, wo ich – ungeachtet jeglicher Befürchtungen á la „Angst vor Ablehnung“ – meine Klappe nicht halten kann.
Fand Annika mich in dem Moment doof? Bestimmt. Hat sie erkannt, dass ich es aus Liebe zu ihr heraus gesagt habe, weil ich nicht will, dass sie im Leben scheitert? Keine Ahnung.
Ich konnte auf jeden Fall nachts deutlich besser schlafen, als wie wenn ich es nicht gesagt hätte.
Die zweite Kategorie ist nahezu Alltagsgeschäft. Es geht um allgemeinen Erziehungsthemen: Darf Annika im kurzen Rock zum Fußballplatz? Muss Alkohol (hochprozentig) auf der Party sein? Wie sinnvoll ist es, Vokabeltest ausschließlich durch Beschreiben beider Innenarme zu bestehen? Usw. usw.
Hier halte ich mich gepflegt raus. Es handelt sich meist nur um Eintagsfliegen, die schneller erledigt sind, als man bis drei zählen kann. Und da ich keinen Erziehungsauftrag habe, liegt es auch nicht in meiner Verantwortung, hier Entscheidungen zu treffen.
Manchmal stelle ich jedoch kritische Fragen, ohne ein richtig oder falsch vorzugeben.
So gab es letzte Woche die nahezu wöchentlich wiederkehrende Diskussion zur Höhe des Taschengeldes, das von Marc gezahlt wird (Anmerkung der Redaktion: zusätzlich zum Taschengeld, das Uschi zahlt). Hier konnte ich es mir nicht verkneifen Annika ganz unvoreingenommen zu fragen: „Warum gehst Du eigentlich mit 14, fast 15, nicht arbeiten?“
Ich glaube, meine Meinung ist deutlich geworden, hat aber auch nicht dazu geführt, dass ich einen Besserwisser-Stiefmutter-Vortrag darüber halten musste, dass ich und der Rest der Menschheit mit 14 sein Taschengeld durch Babysitten, Rasenmähen oder Zeitungen austragen, verbessert haben.
Die dritte Kategorie ist die Kategorie, die mich in der Etablierung am meisten Kraft gekostet hat: das Ignorieren von Momenten. Als Kontrollfreak eine große Herausforderung, die mir das Leben Dank Bonuskindern geschenkt hat!
Einen solchen Moment hatten wir letzten Freitagabend: die Kinder waren nach vier Wochen erstmalig wieder bei uns. Längere Abwesenheiten zeichnen sich in der Regel dadurch aus, dass man gefühlt mit allen Regeln, die bei uns gelten, bei null anfängt: hier wird „Bitte“ und „Danke“ gesagt und ja, Kinder über 10 Jahren benutzen bitte Gabel UND Messer beim Essen, usw.
So kam es, dass ich das Badezimmer aufsuchte. Mich erwartete dort ein auf dem Boden liegendes Gäste-Handtuch sowie ein etwas „strenger“ Geruch, dessen Herkunft sich nach einem Blick in die Toilette auch mir erschloss.
In solchen Momenten habe ich schon verschiedene Verhaltensweisen an den Tag gelegt:
Ganz zu Anfang habe ich Marc informiert und er hat das Thema mit seinem Sohnemann geklärt. Später habe ich mich in den Flur gestellt und Tommi lautstark zu mir zitiert, mit der Bitte nun das Handtuch aufzuheben und bitte das Klo zu putzen.
Freitagabend fühlte ich mich aber nach keiner der beiden Varianten. Die Kinder waren nur zwei Tage da und ich wollte mir mein Sen-artiges Gemüt nicht versauen. Und Erziehung funktioniert (nach meiner Meinung) an 2 von 30 Tagen nur bedingt.
Ich hob das Handtuch hoch und hängte es an den dafür vorgesehenen Haken, benutzte die Klobürste zu einer Reinigung der Toilette und öffnete das Fenster.
Ich atmete an der frischen Luft tief durch: „Nicht mein Zirkus, nicht meine Affen.“
Damit war das Thema dann auch für mich gegessen.
Wenn es meine eigenen Kinder gewesen wären, hätte ich dann anders gehandelt? Vermutlich. Oder Idk (neuhochdeutsch: I don’t know). Ist aber auch irgendwie hypothetisch die Frage und die Beantwortung bringt uns kein bisschen weiter.
Ein richtig oder falsch gibt es beim Patchworken eh nicht. Und ich persönlich glaube auch nicht, dass es DIE eine (perfekte) Stiefmutter gibt, die 1000% weiß, wie sie sich in solchen Situationen zu verhalten hat. Wichtig ist, so finde ich, dass man sich selber reflektiert und sich Gedanken macht.
Wie weit kann ich gehen, dass es für mich in Ordnung ist und ich mich nicht selbst verrate? Oder welche Situationen kann ich nicht mehr mittragen mit den Werten und Einstellungen, die man für richtig hält? Wann ist es Zeit für ein klares „Stop“ und wann kann ich Themen einfach mal an mir vorbeiziehen lassen?
Wie ist es bei Dir? Kennst Du solche Themen oder stehst Du entspannt darüber? Oder bist Du vielleicht die „perfekte“ Stiefmutter, die sich immer richtig verhält? Wie geht es Dir damit, wenn Du das Gefühl hast, dass Du Dich zurückhalten „musst“, um nicht anzuecken?
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Hinweis: Der nächste Stiefmutterstammtisch findet am Donnerstag, den 21.10.2021 in Bergisch Gladbach statt. Wenn Du Lust hast, dabei zu sein, melde Dich einfach bei mir!
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